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Jö Bonus Club beim Launch im Mai 2019

3,4 Millionen Shopper sagen bereits Ja zu Jö

Der Kaiser machte es möglich. Binnen kürzester Zeit ist die Jö-Card am Firmament heimischer Shopper-Wahrnehmung angekommen - mit allen Vor- und Nachteilen.

Reportage von Dr. Hanspeter Madlberger

Ulrike Kittinger und Günther Rauch,  die beiden Geschäftsführer der Ö-Bonus Club GmbH, (einer 100%-Tochter der Rewe international AG/ RIAG) zogen am 18. September im Wiener Kursalon Hübner eine erste Bilanz über den Starterfolg des am 2. Mai dieses Jahres aus der Taufe gehobenen Loyalitätsprogramms, das auf Big Data Analytics setzt. 

Zwölf Unternehmen, darunter sechs RIAG-Töchter, nehmen mit insgesamt rund 3000 Outlets  am Programm teil, aktuell zählt der Jö-Club 3,4 Millionen Karteninhaber, ist gleich Mitglieder. Jeden Tag laufen 750.000 Transaktionen über die Jö-Card. Die impactstarke TV-Einführungskampagne, erdacht von der Kreativagentur Heimat Wien, mit Robert Palfrader und Rudi Roubinek, den beiden Publikumslieblingen der ORF-Serie "Wir sind Kaiser", trug wesentlich dazu bei, dass die große Mehrheit der  Billa-, Merkur-, Bipa- und Penny-Kundenkartenbesitzer sehr rasch auf die Jö-Card umstieg. Als 12. Unternehmen schloss sich Werkzeug-Fachhändler Zgonc dem Jö-Bonus Club an. Kleine markentechnisch nicht ganz nachvollziehbare Irritation: Die Betreiberfirma, geleitet von Rauch und Kittinger, mit Sitz im Bürozentrum Euro Plaza in Wien Meidling, heißt Ö-Bonus Club. Karte und Programm nennen sich jedoch Jö-Bonus Club. Und die Sammelpunkte heißen Ös. 

Der Jö-Bonus Club ist die erste große Marketingoffensive der Rewe in Österreich in der Ära Marcel Haraszti. Die Jahre 2017 und  2018 waren, was die Umsatz- und damit  auch die Marktanteilsentwicklung des LEH-Marktführers betrifft, schaumgebremst. Bringt jetzt, so fragen viele, der Jö-Bonus Club den Befreiungsschlag aus der Stagnation, zündet das neue Loyalitätsprogramm den Umsatz- und Marktanteilsturbo? 

Umsatzturbo Jö Card? Nö!

Die Jö-Card schon jetzt als Umsatztreiber zu feiern, wäre verfrüht, aber immerhin: Die Startphase ist geglückt. Sowohl von Billa- als auch von Merkur-Seite war im Kursalon zu hören, dass der Umstieg von den alten Karten-Programmen auf das neue, gemeinsame rasch und konfliktlos über die Bühne ging. Die Jö-Card erreichte auf Anhieb die Umsatzanteile der jeweiligen Vorgänger-Kartenprogramme. Wie hoch ist diese Quote? Bei Billa hüllte man sich diesbezüglich in Schweigen, einem Merkur Manager war zu entlocken, dass die alte Friends-Card und die neue Jö-Card gleichermaßen für 80% der Umsätze aufkommen.  Merkur erhielt auch den an Partnerfirmen verliehenen Marketing-Preis für die beste Jö-Promotion. Eigentlicher Preisträger ist der neue Merkur Markt im Welser Welas Park. Per Direct Mail wurden die Cards den Haushalten im Einzugsgebiet angeboten, die starke Resonanz bescherte dem Markt auf Anhieb eine große Anzahl von Club-Mitgliedern als Neukunden.  

Das Kernproblem des Marktführers, die gegenseitige Kannibalisierung der Ladenmarken, kann die Jö-Card vorderhand nicht lösen. Auch ist zurzeit noch nicht erkennbar, ob die Jö-Card dazu beiträgt, den unübersichtlichen Aktionsdschungel im Rewe-Reich zu lichten.

Jö-Card überholte Payback

Ähnlich wie das Payback-System (bei dem die Rewe in Deutschland schon seit Jahren mitmacht) ist der Jö-Bonus Club ein firmenübergreifendes CRM-Modell. Mit an Bord sind neben den Rewe -Formaten (mit Ausnahme von Sutterlüty) auch die OMV, die Bawag/PSK, Interio (für Janet Kath bedeutet das die Wiederbegegnung mit alten Bekannten), Formate der Taus-Gruppe (Libro und Pagro) sowie die Firma Zgonc. Den Adeg-Kaufleuten ist die Teilnahme freigestellt. Die meisten machen mit, Adeg-Mitglied und Spartenobmann Peter Buchmüller aus dem Raum Salzburg ist übrigens nicht mit von der Partie.  

Dass Rewe sich in Österreich nicht dem Payback-Konvoi anschloss, hängt vermutlich auch damit zusammen, dass Bipas Hauptkonkurrent dm hierzulande bei Payback mitmacht und dabei eine prominente Rolle spielt. Payback startete im Frühjahr 2018 in Österreich und meldet aktuell einen Mitgliederstand von über 3 Millionen.
In dieser Disziplin hat also die Jö-Card den Mitbewerber auf Anhieb überholt. Und profiliert sich zugleich als österreichisches Original. Ein Argument, das gegenüber internationalen Online-Händlern wie Amazon ins Treffen geführt wird. Im eCommerce der Rewe macht momentan nur der Billa Online Shop bei der Jö-Card mit.

Im Gegensatz zur Jö-Card zählt Payback namhafte Online-Händler (wie z.B. Otto, Universal, Shop Apotheke) zu seinen Partnerfirmen. Ein starker Teamplayer aus dem stationären LEH wird seitens Payback dringend gesucht. Anmerkung: Spar hat in vergangenen Jahren schon öfter einen Beitritt zu Payback in Erwägung gezogen, dann aber wieder verworfen. Die Drexel-Truppe setzt bis dato weiterhin auf Kundenbindungs-Promotions ohne Registrierpflicht, insbesondere in Form er guten alten Rabattpickerln. Einzig Sportartikeltochter Hervis arbeitet mit einem Kartenprogramm.  

Datenschutz und Datenmissbrauch

Loyalitätsprogramme wie der Jö-Bonus Club lassen die Diskussion über Datenschutz und Datenmissbrauch hoch kochen, Konsumentenschützer wie VKI und Arbeitkammer sehen es als ihre Pflicht an, dagegen zu wettern. Das Thema ist in Zeiten, da US-Digitalmonster des  Datenmissbrauchs überführt werden, extrem heikel. Im Gespräch mit retailreport.at beteuerte Marcel Haraszti, im Rewe Vorstand für das Daten-Business zuständig, dass der Jö-Bonus Club alle gesetzlichen Auflagen  des Datenschutzes penibel erfülle. „Wir haben von Anfang an bewiesen, dass wir sehr verantwortlich mit diesem Thema umgehen, wir halten uns so streng wie kein anderer an das Gesetz und stehen in ständigem Austausch mit vielen Stakeholdern.“ Die Daten würden nur anonymisiert und agglomeriert in den Analysekorb eingegeben und ließen keine Rückschlüsse auf Einzelkunden zu. Jeder Partner erhalte nur die jeweiligen Daten seiner eigenen Kunden zugespielt. Innerhalb der Rewe-Vertriebslinien werden nur die Produktdaten gemeinsam ausgewertet, Einkaufsdaten bleiben im Data Warehouse der betreffenden Vertriebslinie hinter Schloss und Riegel. Jö-Card-Geschäftsführerin Ulrike Kittinger sagte in einem Zeitungsinterview: "Wir geben keine Einzeldaten her, wir verkaufen keine Adressen, die Analysen sind nicht auf Einzelpersonen zurückführbar“.

Industrie fragt: Sind Jö-Daten-Analysen ihr Geld wert?

Viel Aufregung gibt es auch über die Konditionen, zu denen Datenpakete aus dem Pool des Jö-Bonus Clubs an Lieferanten verkauft werden. Wie eine Tageszeitung berichtete, kritisiert der Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in einem Brief an Haraszti, ihm sei aus Mitgliederkreisen kommuniziert worden,  „dass teilweise bis zu einem Prozent vom Jahresumsatz als Kostenbeteiligung an der Einführung der 'Jö-Karte' gefordert wird“.

Im Gespräch mit retailreport.at gab Haraszti dazu folgende Stellungnahme ab: “Ja, der Bonus Club bietet der Industrie Datenauswertungen zum Erwerb an, aber wir haben die Preisverhandlungen darüber abgekoppelt von den Jahresgesprächen geführt.“ Mit dem Markenartikelverband, so deutete Haraszti an, habe man einen Konsens darüber erzielt, dass die Regeln der Fairness eingehalten würden.  

Manche Lieferanten und manche Mitbewerber sehen das freilich anders und sprechen vom Versuch der Konditionsverbesserung durch die Hintertür.  Ausgewiesene Branchenkennerinnen aus der Marktforschung geben sich in dieser Frage hingegen gelassen und weisen darauf hin, dass der Handel seit ewigen Zeiten den Lieferanten artikelspezifische Umsatzdaten für deren Retail Marketing und Category Management zum Kauf anbieten. Drogeriemarkt-Filialist dm agierte auf diesem Gebiet schon immer sehr offensiv. 

Mega-Trend im Handel: Mehr Kundennähe durch Data Analytics

Bei aller Aufregung um die Jö-Bonus Card der Rewe sollte man einen Aspekt nicht außer Betracht lassen. Haraszti und Kollegen liegen mit ihrem neuen Loyalitätsprogramm voll im internationalen Handelsmarketing-Trend. Das EHI publizierte am 18. September seine Studie 2019 über die Top Trends im Handelsmarketing. Der Studie liegen persönliche Interviews mit 32 Chief Marketing Officers (CMOs) deutscher Handelsunternehmen zugrunde, die knapp ein Viertel des gesamten EH-Umsatzes in Deutschland repräsentieren. Gefragt wurde nach den wichtigsten Kunden-Trends  und den daraus resultierenden vorrangigen Marketingprojekten der großen Retailer.

Und das sind die Top-Ergebnisse dieser EHI-Bestandsaufnahme:

81 % der Befragten nennen die  Personalisierung/Individualisierung  des Angebots an die Kunden als ihr wichtigstes aktuelles Marketingvorhaben. 

Ebenfalls bei 81% liegt die Zustimmungsrate zu den digitalen CRM-Tools, also zu den Big Data Analysen, die es einem Filialisten erlauben, standortspezifisch und kunden(typen)spezifisch maßgeschneiderte Angebote zu formulieren.   

Als dritter Top Trend wird von 72% die Media-Transformation der individuellen Kundenansprache genannt, wobei Social Media naturgemäß eine große Rolle spielen.

Entsprechend dieser Prioritäten fokussieren sich die großen Handelsunternehmen unseres nördlichen Nachbarn auf Projekte zu CRM/Personalisierung (97%), dem immer aktuellen Aufbau von Markenvertrauen (Branding &Trust Building) und dem Media/Channel Management (jeweils 72%). 

Marlene Lohmann, Leiterin des Forschungsbereiches Marketing bei EHI zieht aus der Studie folgende Schlüsse: “Mit den neuen Technologien  und Data Analytics  erwarten die CMO … zusätzliche Erträge. Marketing ist nicht länger ein Kostenfaktor, sondern birgt Umsatzpotentiale.“ Dabei kommt den handelseigenen Medien (Retail Media) besonderer Stellenwert zu. 59 % der Befragten sehen eine rosige Zukunft für Apps und eigene Websites und investieren deshalb in Relaunches ihrer digitalen Medien.    

Fazit: Die Rewe, die sehr viel Man- und Woman-Power in die Jö-Card  investiert, hat damit für den heimischen Lebensmittelhandel eine pionierhafte Initiative gestartet, eine höchst zeitgemäße und effektive Strategie gewählt. Jetzt muss sich dazu die Effizienz bei der Umsetzung gesellen, damit auch die Finanzchefs in Wiener Neudorf und in Köln mit Blick auf die G+V-Rechnungen der Vertriebstöchter Ja zur Jö Card sagen.   

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geschrieben am

25.09.2019